пятница, 25 мая 2012 г.

Nosferatu. Themen und Motive


Natur

Der Regisseur präsentiert neben den Landschaftsaufnahmen ein Panoptikum der Tier- und Pflanzenwelt: Von der mikroskopischen Aufnahme eines Polypen über eine Venusfliegenfalle, eine für einen Werwolf einstehende Hyäne bis hin zu scheuenden Pferden reicht der Bogen der verwendeten Naturaufnahmen. Murnau symbolisiere damit eine „fatale Beziehungskette vom Fressen und Gefressen-Werden“, merkt Elsaesser an. Seeßlen und Jung kommentieren: „Die Natur in allen ihren verschlingenden und saugenden Aspekten verlangt ihr Recht.“ Die überwiegend Kulturfilmen entspringenden Szenen haben laut Frieda Grafe die Funktion, „den Vampir zu naturalisieren“, ihn als Bestandteil der Natur in diese einzubetten, um seine Wirkungsmacht noch unheimlicher, da naturgegeben und somit unumstößlich erscheinen zu lassen. Als ein „Untoter“ sei er „jenseits der Kategorien von Schuld und Reue“, wie Pflaum anmerkt.




Franz Marc: Tierschicksale, 1913

Der Vampir selbst wird neben seinen menschlich-rationalen und tierisch-animalischen Eigenschaften durch seine Starrheit und seine ruckartigen Bewegungen auch noch mit einer mechanischen Komponente charakterisiert. Die Figur sprengt damit alle Kategorisierungsversuche; ein Aspekt der Zuschauerverunsicherung: „All unsere Sicherheiten, die sich auf klare Grenzen, Ordnung, Klassifikationen gründen, werden schwankend.“ Andererseits ist die starke Verbindung zwischen dem Vampir und der Natur Anlass für den Zuschauer, mit der Figur mitzufühlen: „Wenn die erschreckende Gestalt als Teil der Natur identifiziert wird, ist es nicht länger möglich, sich allen Gefühlen des Mitleids zu entziehen.“ Besonders deutlich wird dies in der Sterbeszene Orloks; der Hahnenschrei evoziert Ahnungen von Verrat, das abstoßende Wesen wird im Todeskampf menschlich.
In der umfassenden Vereinnahmung aller Erscheinungsformen der Natur sehen Seeßlen und Jung pantheistische Aspekte: es besteht eine göttliche Verbindung zwischen allen Dingen, die nach Harmonie und Vollkommenheit strebt, doch ihnen wohnt auch eine latente dämonische Gefahr inne. Der Instinkt der Tiere (im Film die scheuenden Pferde) nimmt diese Bedrohung als erster wahr. In diesem Zusammenhang verweisen Gehler und Kasten auch auf Murnaus Künstlerfreund Franz Marc und seine metaphysischen Tierdarstellungen, insbesondere auf das Bild Tierschicksale aus dem Jahr 1913, das die Kreaturen im Kampf um die ursprüngliche Harmonie des Paradieses darstellt.

Romantizismus


Caspar David Friedrich: Frau am Fenster, 1822

Murnau folgt mit der Ansiedlung seiner Geschichte im frühen 19. Jahrhundert und seiner Naturbetontheit einem Trend der 1920er-Jahre, eine verklärende und romantisierende Sicht auf vorindustrielle Zeiten zu suchen. Wie etwa auch bei Fritz Lang mit Filmen wie Der müde Tod (1921) ist ein eskapistischer Hang zum „altdeutschen“, biedermeierlichen Sujet zu erkennen, der als Angst vor der Modernität und den Umbrüchen der Nachkriegsgesellschaft gedeutet werden kann. Andererseits nutzten diese Regisseure für ihren Blick zurück die modernsten Produktionstechniken und Organisationsformen der Zeit. Klaus Kreimeier hält Murnau deshalb nicht für einen reaktionären Künstler: „Die Technizität, das Geometrie-Bewusstsein seiner Filmarbeiten weisen ihn  als dezidierten Modernen aus.“
Erkennbar greift Murnau jedoch in seinen Naturdarstellungen und Bildkompositionen auf sehnsuchtsvolle und verklärende Elemente der Romantik zurück, am offensichtlichsten auf Bildmotive von Caspar David Friedrich, dessen Vergegenständlichungen transzendenter Zustände für viele szenische Aufbauten Murnaus Pate gestanden zu haben scheinen. Grafe erkennt besonders in den Szenen mit Ellen etliche Verweise auf Werke Friedrichs, etwa auf Frau am Fenster oder auf Friedrichs Strandbilder. Ellen sei in diesen artifiziell gestalteten Filmbildern „die verkörperte Melancholie, die Freud als eine Blutung des Innenlebens bezeichnete“, merkt Grafe an. Andere Topoi der Romantik wie die Beseeltheit der Natur und die Wirkungsmacht des Schicksals werden früh im Film eingeführt: Ellen fragt ihren Ehemann, der ihr einen Blumenstrauß bringt: „Warum tötest du die schönen Blumen?“; ein Passant warnt Hutter beiläufig: „Niemand entflieht seinem Schicksal.“

Politik und Gesellschaft

Siegfried Kracauer stellt in seinem Buch Von Caligari zu Hitler das Kino der Weimarer Zeit in einen Zusammenhang mit dem Aufkommen der Diktatur in Deutschland und nennt die Figur des Vampirs „gleich Attila  eine ‚Geißel Gottes‘,  eine blutrünstige, aussaugerische Tyrannenfigur.“ Zu diesem Tyrannen stehe das Volk in einer Art „Hassliebe“: einerseits verabscheue es die Gewaltherrschaft des Despoten, andererseits sei es getrieben von einer antiaufklärerischen Sehnsucht nach Erlösung und Erhöhung durch eine unergründliche Macht. Kracauers Sicht folgen etwa Christiane Mückenberger, die den Film „eine der klassischen Tyrannengeschichten“ nennt, sowie Fred Gehler und Ullrich Kasten, die Nosferatu ebenfalls als „Tyrannenfilm“ einordnen. Auch Seeßlen und Jung sehen den Vampir als „das metaphysische Sinnbild politischer Diktatur“. Wie viele ähnliche Figuren in den Stummfilmen dieser Zeit sei er nur deswegen tyrannisch, weil er das Gefühl habe, nicht geliebt zu werden; er könne nur durch die Liebe bezwungen werden.
Dass Nosferatu unmittelbar die Geschehnisse des Ersten Weltkriegs und die Wirren der Nachkriegszeit reflektieren sollte, bestätigt Albin Grau. Der Film beziehe sich auf das Erlebnis des Krieges und sei „ein Hilfsmittel zu begreifen, wenn auch oft nur unbewusst, was hinter diesem ungeheuren Geschehnis liegt, das daherbrauste wie ein kosmischer Vampir“. Auch Gehler und Kasten beziehen sich auf die gesellschaftliche und politische Instabilität der Zeit und sehen die Vampirfigur als Manifestation kollektiver Ängste. Nosferatus Schatten stehe „über einer vielfach gefährdeten, instabilen, von dunklen Ängsten gepeinigten Gesellschaft. Er kommt in ein Universum, das anfällig geworden ist gegenüber Gewalt und Terror.“ Koebner mutmaßt, die Pestepidemie könnte eine Repräsentation der gerade erst überstandenen Pandemie der Spanischen Grippe sein und weist darauf hin, dass in Nosferatu die Figur des Van Helsing, des Vampirbezwingers, keine Entsprechung hat. Statt sich aktiv gegen das Verderben zu wehren, blieben die Figuren passiv und wie erstarrt; sie reihten sich damit ein in die Tradition des Weimarer Films und hätten „Anteil am zeitgenössischen Pandämonium der reduzierten Existenzen, die aus ihren Alpträumen nicht zu erwachen scheinen.“
Anton Kaes sieht in der Repräsentation angsterregender Fremdheit in der Figur des Orlok „antisemitische Strukturen und Motive“: Wie die migrierenden „Ostjuden“ zu Ende des 19. Jahrhunderts komme der Graf aus Osteuropa. Die Charakterisierung als „Blutsauger“ und die Bilder der die Pest verbreitenden Ratten wecken in Kaes die Assoziation an antisemitische Stereotype, wie sie etwa in Fritz Hipplers Propagandafilm Der ewige Jude (1940) eingesetzt werden. Thomas Koebner hält diese Meinung allerdings für abwegig; es sei zu plump, die Instrumentalisierung dieser Motive aus der Zeit des Nationalsozialismus auf Murnaus Film zu übertragen.

Sexualität

Die im Schnitt des Films angelegte Abhängigkeit und Manipulation der Figuren untereinander lässt sich auch auf den Bereich der Sexualität übertragen. Gunter E. Grimm bezeichnet Nosferatu als „die traumatische Kompensation der in der bürgerlichen Gesellschaft untersagten Sexualität“. Als Ellen dem Vampir schlussendlich Einlass in ihr Schlafzimmer gewährt, kann dies als Repräsentation des alten Volksglaubens gelesen werden, eine unschuldige Jungfrau könne eine Stadt vor der Pest retten. Andererseits ist auch eine Wertung naheliegend, dass die junge Frau mit ihrer Tat gegen die Zwangsinstitution Ehe rebelliert und versucht, die sexuelle Frustration ihrer Beziehung zu Hutter zu überwinden. Entgegen dem asexuell gezeichneten Hutter ist der Vampir „die unterdrückte Sexualität, die in das idyllische Leben der Neuvermählten einbricht“, wie Kaes anmerkt.
Für Koebner ist Nosferatu somit eine „merkwürdige, nur halb verschlüsselte Dreiecksgeschichte“ und der animalische Graf „die puritanische Verschlüsselung sexuellen Appetits“. Die zügellose Triebhaftigkeit, der sich Ellen und Orlok anheim geben, bleibt im Film nicht ungesühnt: Sowohl der Graf als auch Ellen sterben, und Hutter ist erst wieder frei, nachdem sich seine Frau in fataler, tödlicher Weise mit dem Monster vereinigt hat. Elsaesser wertet die sexuelle Konnotation des Films auch biografisch: der homosexuelle Murnau thematisiere in der Figur des Orlok „die Verschiebung und Verdrängung des eigenen homosexuellen Verlangens auf potente Doppelgänger, die die dunkle Seite der eigenen Sexualität spiegeln.“. Auch Stan Brakhage nimmt einen biografischen Hintergrund an. Die Figurenkonstellation verweise auf Murnaus „eigene persönlichste Kindheits-Terror“; Hutter werde auf das furchtsame Kind reduziert, das dem „Vater“ Nosferatu ohnmächtig ausgeliefert ist. Ellen sei die Mutterfigur, die durch ihr Wesen und ihre Tat das Kind rettet.

Okkultistische Symbolik

Durch die realistische Inszenierung des Films entsteht der Eindruck, dass übersinnliche Vorgänge wie selbstverständlich in der realen Welt verankert sind. In der Zeichnung des Vampirs als magische, doch trotzdem reale Figur, die in elitär-gelehrter Weise mit Geheimwissen ausgestattet ist, wird der Einfluss Graus auf den Film deutlich, der in okkulten Kreisen verkehrte. Sichtbar wird dieser Einfluss vor allem in der Gestaltung des Briefes, den Knock zu Beginn des Films von Nosferatu erhält. In zwei kurzen Einstellungen, die zusammen nur wenige Sekunden dauern, sieht man einen kabbalistisch anmutenden Geheimtext, dessen Code Sylvain Exertier für durchaus interpretierbar hält. Neben Zeichen wie dem Malteserkreuz und einer Swastika sind Buchstaben aus dem hebräischen Alphabet sowie astrologische Symbole zu erkennen. Sylvain Exertier interpretiert den Text als Ankündigung von Orloks – auch spiritueller – Reise im Spannungsfeld zwischen dem männlichen Prinzip, vertreten durch den Jupiter, dem Weiblichen, symbolisiert durch die Venus, und dem Tod, für den der Saturn steht. Hinzu kommen dekorative Zeichnungen eines Totenkopfs, einer Schlange und eines Drachen, die Extertier für „eher spektakulär als authentisch“ hält. Es bleibe offen, ob es sich bei dem Brief um eine „Koketterie des Regisseurs oder ein[en] Augenwink für die Okkultisten“ handle.

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